"Macht den Leuten Mut!"

Der langjährige Abgeordnete des Europäischen Parlaments, André Brie war am Mittwoch in der Bernburger Alten Molkerei zu Gast. Bereits in den 90er Jahren erwarb sich Brie als Mitglied im Bundesvorstand und in der Grundsatzkommission der ehemaligen PDS den Ruf als maßgeblicher Theoretiker und Vordenker der Partei. Beim Vortrag in Bernburg sollte deshalb auch der Entwurf des Parteiprogramms im Vordergrund stehen.

 Er begann mit Anmerkungen zu den schlechten Ergebnissen der LINKEN bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. Die Gründe in der aktuellen Atomdebatte zu suchen, von der die Grünen deutlich mehr profitieren, betrachtet er als unzureichend. Die Ergebnisse im Südwesten zeigen vielmehr, dass die radikalen Forderungen, die im Wahlkampf gemacht wurden, die Bürgerinnen und Bürger vor Ort eher abgeschreckt haben. Außerdem hat man sich zu wenig um den Markenkern linker Politik gekümmert.

 Leiharbeit, Kinderarmut, Langzeitarbeitslosigkeit und Hartz IV nannte er als Beispiele, für aktuelle brennende Probleme, um die die Partei sich vornehmlich kümmern muss. Diese, und so leitete er zum Thema des Abends über, sind auch im Programmentwurf zu finden. Überhaupt gibt, es was die Formulierung von Problemen und Lösungen angeht, am Entwurf nichts zu meckern, meinte er. Hier sind „alle schönen Ziele der Welt“ versammelt, äußerte sich Brie und brachte im gleichen Atemzug seine Hauptkritik: „Ich sehe aber nicht, dass wir die Menschen in diesem Land bei der Lösung all dieser brennenden Fragen wirklich mitnehmen.“

 Brie machte anschließend u.a. Ausführungen zu Vergesellschaftungen und zur Eigentumsfrage, kam aber immer wieder auf den Bezug zur „realen Lebenswelt der Menschen“ zurück. „Wir müssen uns an der Lebenswirklichkeit der Leute orientieren“ mahnte er. „Wir müssen Ihnen Beteiligung ermöglichen und ihnen zeigen, dass sie es selbst in der Hand haben, in diesem Land etwas zu verändern“. Dazu ist es wichtig, den Menschen Mut zu machen und nicht, wie viel zu oft im Programmentwurf zu finden, ständig Schreckensszenarien zu entwerfen.

 Das ein langer Atem für den Erfolg von Nöten ist, skizzierte er am Beispiel von Stuttgart 21. Die Grünen haben sich mit unzähligen Partnern 15 Jahre lang um diese Frage gekümmert und profitieren jetzt enorm von dieser anstrengenden Arbeit. Auch wenn man sicherlich in einigen Fragen mit der Öko-Partei, bei der er eine gewisse soziale Kälte registriert, nicht übereinstimmen kann, gilt es in diesem Beispiel von ihnen zu lernen. Die Message muss sein: „Wir können viel erreichen, aber nur mit euch zusammen“ schloss er den Abend nach ausführlicher Diskussion mit den zahlreich erschienen Gäste ab.

Jörg Lemmert