Gedenken auf dem Jüdischen Friedhof in Güsten

Nachdem vor 76 Jahren Menschen jüdischen Glaubens und jüdischer Abstammung in Deutschland die Würde genommen, wollen wir ihnen diese Würde zurückgeben und die Lebenden zur Mahnung aufrufen.“ eröffnete Tobias Pochanke am Sonntag, dem 9. November als Ortsvorsitzender der LINKEN.Saale-Wipper die Gedenkveranstaltung auf dem jüdischen Friedhof in Güsten. Der Ortsverband ruft seit Jahren zu diesem Gedenken an die Novemberpogrome von 1938 auf.

Hauptredner war in diesem Jahr der Bürgermeister der Verbandsgemeinde Saale-Wipper Steffen Globig. Er sprach vom Schicksalstag der Deutschen. „Wir treffen uns heute hier, weil wir Menschen gedenken, die durch sinnlose Barbarei ums Leben kamen... Mit dem 09. November verbinden wir die dunkle Reichsprogromnacht, aber auch das Ende des 1. Weltkrieges und den in diesem Jahr allerorts gefeierten 25-jährigen Mauerfall... Da ist zum einen das Ende des 1. Weltkrieges vor 96 Jahren, der damals noch „Der große Krieg“ hieß. Am heutigen Tag riefen sowohl Philipp Scheidemann, als auch Karl Liebknecht die Republik aus und beendeten die Monarchie“, so der Verbandsgemeindebürgermeister. "Menschen starben in Schützengräben aus falsch verstandenem Nationalgefühl heraus und dem Glauben, die Welt beherrschen zu können. Die Hetze auf die jüdischen Mitbürger, deren Ausgrenzung sowie das unendliche unmenschliche Leid, die Zerstörung, Vertreibung und die Massenvernichtung die mit dem 09. November 1938 begannen, stellten den Übergang von der Diskriminierung zum Holocaust dar. Und diese Zeit endete mit Opfern, denen wir heute und hier gedenken. Nur wer sind diese Opfer? Wessen gedenken wir? Wir stehen hier auf einem Boden, auf dem Jüdische Mitbürger seit jeher bestattet wurden. Kaum jemand von uns kennt deren Namen, kaum jemand kennt deren Schicksal.  Welchen Opfern gedenken wir also heute - nach 76 Jahren?“ fragte Globig in die Runde. Niemand kennt einen jüdischen Mitbürger hier in Güsten noch, niemand einen Gefallenen oder Inhaftierten, der damals starb. Wir kennen diese Ereignisse und deren Opfer nur noch aus Erzählungen derer, die es überlebt haben oder die kurz danach geboren wurden. Aber auch die Erzähler werden weniger, so dass die Opfer immer mehr verschwimmen. Nur die Grabsteine bleiben als Mahnsteine übrig. Wer weiß heute noch, wo die Synagoge in Güsten stand, wann und unter welchen Umständen sie verschwand, wo jüdische Geschäfte und Nachbarn lebten? Wer kennt den Arzt Dr. Arno Phillipstal heute noch, der in Güsten geboren wurde und von der SA in seiner Praxis in Berlin festgenommen wurde und an den Misshandlungen in Weissensee starb.  Wer kennt noch den Stoffhändler Merker oder Sally Neumann, der nach China und dann in die USA fliehen konnte. Wer kennt die Namen und Familien der Gefallenen, der Kriegsheimkehrer, der Gefangenen, der Flüchtlinge und Widerständler? Alles gerät irgendwann in Vergessenheit. Doch wer vergisst, stirb erst wirklich. Und so stehen wir heute hier, um gegen das Vergessen zu appellieren. Lasst uns diesen schrecklichen Krieg nie vergessen! Hört denen zu, die noch darüber berichten können! Schreibt auf, was in euren Familien und unserer Stadt damals geschah – damit es nie vergessen wird. Wir sind heute nicht mehr dafür verantwortlich, was damals geschah. Wir sind aber dafür verantwortlich, dass so etwas nie wieder stattfindet. Dass Menschen nie wieder ausgegrenzt werden, dass keine Soldaten in Kriege ziehen müssen.  Und so stehen wir heute hier, um den Opfern zu gedenken und wir wollen das Andenken waren – damit es nie vergessen wird und die Opfer nicht ein zweites Mal sterben“, beendete Steffen Globig seine Rede. Nach einer Gedenkminute beendete Tobias Pochanke die Gedenkveranstaltung.

Ernst H. Brink  Pressesprecher DIE LINKE Saale-Wipper