Keinen Cent für die Möchtegern-Royals von Preußen!

Jan Korte

„Juden und Mücken sind eine Pest, von der sich die Menschheit so oder so befreien muss. Ich glaube, das Beste wäre Gas.“ Dieses Zitat stammt nicht von Adolf Hitler. Nein, es ist ein Originalausspruch des 1918 gestürzten deutschen Kaisers Wilhelm II. aus dem Jahre 1927. Ex-Kaiser Wilhelm II. saß zu dieser Zeit im niederländischen Exil und sann darüber nach, welche politischen Kräfte ihn zurück an die Macht befördern könnten. Seit 1922 lag mit dem Beispiel Italiens die faschistische Lösung auf dem Tisch und der Aufstieg der NSDAP, vor allem in der Krisenphase der Weimarer Republik, eröffnete den Hohenzollern ganz neue Möglichkeiten.„Der Faschismus sei eine fabelhafte Einrichtung“, hatte Wilhelm schon 1928 geschrieben: „Sozialismus, Kommunismus, Demokratie und Freimaurerei ausgerottet und zwar mit Stumpf und Stil (sic !); eine geniale Brutalität hat dies zuwege gebracht.“ Im März 1932 suchte er dann folgerichtig die Unterstützung der NSDAP, um bei der Wahl zum Reichspräsidenten selbst anzutreten und auf diese Weise womöglich die Monarchie wiederherstellen zu können. Als die Nazis abwinkten, sprach er sich anschließend für Hitler – und gegen Hindenburg – aus. Und nach der Machtübertragung an Hitler zeigte sich Wilhelm in der Öffentlichkeit ganz auf Seiten des neuen Regimes. Am „Tag von Potsdam“, bei dem die Vereinigung von NS-Herrschaft und preußischer Tradition inszeniert wurde, nahm er als Vertreter des Hauses Hohenzollern neben Hitler und Hindenburg teil.

Die Entscheidung der sowjetischen Siegermacht und auch der DDR, den deutschen Adel in ihrem Einflussgebiet vollständig zu enteignen war deshalb moralisch und historisch völlig richtig.

Doch mit dem Fall der Mauer 1989 witterten auch die Hohenzollern wieder Morgenluft. Gleich nach der Wiedervereinigung machten sie Ansprüche nach dem sog. Ausgleichsleistungsgesetz geltend und Dr. Louis Ferdinand Prinz von Preußen stellte einen Antrag auf Rückübertragung ehemals im Eigentum des früheren Kronprinzen Wilhelm von Preußen befindlicher Güter. Seither verhandeln sie mit Bund und Ländern über zusätzliche Vermögen und Entschädigungen. Es geht um Geld, wertvolle Antiquitäten und zahlreiche bedeutende Kunstgegenstände, historische Schlösser und Liegenschaften. An diese käme der Clan aber nur bei Umschreibung der Geschichte. Denn ein 1994 verabschiedetes Gesetz verhindert Entschädigungen an Personen oder Institutionen und deren Erben, sofern diese „dem nationalsozialistischen oder dem kommunistischen System in der sowjetisch besetzten Zone oder in der Deutschen Demokratischen Republik erheblichen Vorschub geleistet" haben. Mit Christopher Clark von der Universität Cambridge, der in einem Auftragsgutachten dem Kronprinz bescheinigte zu unbedeutend gewesen sei, um bei der Etablierung des NS-Systems eine wichtige Rolle zu spielen, und dem Hindenburg-Biograph Wolfgang Pyta, der Wilhelm gar zum Widerstandskämpfer umdichtete, fanden die Möchtegern-Royals willige Helfer. Um zu verhindern, dass weiter im Geheimen verhandelt und dem Clan womöglich ohne Gerichtsurteil Entschädigungen zugesprochen sowie Kulturgüter übergeben werden, stellte die LINKE im Bundestag den Antrag die Verhandlungen abzubrechen und zeitnah gesetzgeberische Maßnahmen zu ergreifen, um die Realisierung etwaiger Forderungen ehemaliger Adelshäuser für die Zukunft ein für alle Mal zu unterbinden.

Am 29. Januar 2020 wurde in einer Öffentlichen Anhörung des Kulturausschusses im Bundestag nun über unseren Antrag "Keine Entschädigungen an Nachkommen der Monarchie" (19/14729) beraten. Und diese Anhörung verlief phasenweise reichlich bizarr.

Im Zentrum stand die Frage, ob der preußische Kronprinz Wilhelm von Preußen in den 1930er-Jahren dem NS erheblichen Vorschub geleistet hat? Das Urteil der Historiker Prof. Dr. Peter Brandt, Dr. Stephan Malinowski und Dr. Stefanie Middendorf fiel übereinstimmend deutlich aus: Der Kronprinz hat vor und nach 1933 dem Nationalsozialismus erheblichen Vorschub geleistet. Der von der Union benannte Sachverständige Benjamin Hasselhorn verstieg sich trotzdem zu der Ansicht, ein abschließendes Urteil sei kaum zu fällen. Außerdem stünde die Frage im Raum, ob nicht die SPD im Vergleich sogar dem Nationalsozialismus mehr Vorschub als die Konservativen und Monarchisten geleistet habe, „weil sie seit 1930 keine Reichsregierung mehr unterstützte und in Schleicher einen gefährlicheren Gegner sah als in Hitler." Bezeichnend: Es blieb mir in der Sitzung überlassen diesen ungeheuerlichen Geschichtsrevisionismus zurückzuweisen, während die SPD-Mitglieder im Ausschuss einträchtig schwiegen.

Zum Glück gab es auch noch Beiträge ernstzunehmender Wissenschaftler: Prof. Brandt stellte klar welchen Anteil die Hohenzollern, die auf eine Wiederherstellung der Monarchie innerhalb einer faschistischen Diktatur nach dem Vorbild Italiens hofften, am Aufstieg der Nazis und der Machtübertragung an Hitler hatten. Dr. Malinowski verwies in seinem Statement auf den Wahlaufruf Wilhelm von Preußens 1932 zugunsten der Nationalsozialisten und seine Rolle beim „Tag von Potsdam“ 1933. Stefanie Middendorf vom Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam stellte unmissverständlich klar, dass die überwiegende Lehrmeinung sei, dass der Kronprinz beständig mit den antidemokratischen Kräften kooperiert habe, sowohl mit den Nationalsozialisten als auch mit den deutschnationalen Kräften.

Die anschließende Fragerunde nahm dann stellenweise absurde Formen an. Nachdem die Union die sonst üblichen Ausschussregeln extra geändert hatte, um sich von einer Stunde Frage-/Antwortzeit satte 21 Minuten zu sichern, bekam die CDU-Abgeordnete Elisabeth Motschmann es dann trotzdem nicht hin auch nur eine einzige vernünftige Frage an die Sachverständigen zu stellen. Das Ganze erinnerte frappierend an die Klimaleugnerdebatte. Trotz klarem wissenschaftlichen Befund wollen CDU und CSU weiter nach entlastenden Dokumenten für die Hohenzollern suchen lassen. Elisabeth Motschmann behauptete gar, dass sich bisher niemand die Mühe gemacht habe im Hohenzollernarchiv zu forschen und dort ganz sicher entlastendes Material zu finden sei. Offensichtlich hofft die ehemalige Baroness auf geheime Unterlagen über eine Widerstandsgruppe im preußischen Adelshaus. Wahnsinn. Selbst das Auftragsgutachten von Prof. Wolfram Pyta, der sich ewig im Hausarchiv der Preußen herumtreiben durfte, traut sich auf 160 Seiten nur zwei Akten von dort zu nennen.

Ebenfalls bemerkenswert war der Auftritt der AfD: Deren Ausschussmitglied Marc Jongen legte sich mächtig ins Zeug für die Interessen der "Kleinen Leute" aus der Erbengemeinschaft der Hohenzollern.

Die Debatte wird weiter gehen. Für DIE LINKE ist jedoch auch nach dieser Anhörung klar: Es darf keine Entschädigungen an Nachkommen der Monarchie geben!