Hunderttausend in Berlin gegen die Krise

Am dritten Samstag im Mai hat Berlin wieder eine Großdemonstration gesehen. Etwa 100 000 Teilnehmer waren aus der ganzen Republik mit Bussen, Bahnen und Autos angereist, um für eine aktive Krisenbekämpfung und gegen die drohende Abwälzung der Krisenlasten auf die abhängig Beschäftigten und den wirtschaftlich schwächeren Teil der Bevölkerung zu demonstrieren. Das Motto lautete: „Die Krise bekämpfen! Druck machen! Sozialpakt für Europa! Die Verursacher müssen zahlen!“ Die Demonstration war Teil einer europaweiten Kampagne des Europäischen Gewerkschaftsbundes. Am gleichen Tag gingen in Prag etwa 30 000 Menschen auf die Straße. Wenige Tage vorher hatte es bereits Demonstrationen in Madrid und Brüssel gegeben. Insgesamt waren in diesen vier Städten 330 000 Menschen auf den Straßen. Der DGB-Vorsitzende Michael Sommer kritisierte in der Hauptrede jene Politiker, die „alle Schleusen für Voodoo-Geldgeschäfte“ geöffnet und dabei jeden Schutzdamm gegen die grenzenlose Gier eingerissen haben“. Er verlangte, jetzt und nicht erst mit Blick auf die Bundestagswahl zu handeln. Deutschland brauche ein Zukunftsinvestitions- sowie ein drittes Konjunkturprogramm. Zugleich setzte er sich für ein sozialeres Europa und gegen ein Europa des Kapitals ein. Eine rechtlich verbindliche soziale Fortschrittsklausel müsse den sozialen Rechten Vorrang vor den ökonomischen Freiheiten des Binnenmarktes einräumen. „Wir brauchen eine europäische Kommission, die den kleinen Leuten in Europa verpflichtet ist und nicht dem großen Geld,“ verlangte Sommer. Zudem müsse dafür gesorgt werden, dass sich eine solche Krise niemals wiederholen könne. Ein „Weiter-So“ dürfe es nicht geben. Die Opfer der Krise dürften nicht auch noch die Kosten der Krise tragen. „Die Verursacher müssen zahlen,“ rief Sommer unter dem Beifall der Demonstranten. Die Gewerkschaftsvorsitzenden Frank Bsirske (ver.di) und Klaus Wiesehügel (IG BAU) fanden im Anschluss an Sommer teilweise noch drastischere Worte. Wiesehügel rief die Teilnehmer am Schluss auf, den Protest in die Betriebe zu tragen und aus den Belegschaften heraus Druck zu machen.

Das Großereignis hatte mit zwei Auftaktkundgebungen am Berliner Hauptbahnhof und auf dem Breitscheidplatz nahe dem Bahnhof Zoo begonnen. Dort sammelten sich die Demonstranten, die dem Aufruf des DGB, der Einzelgewerkschaften, der LINKEN und verschiedener Erwerbsloseninitiativen gefolgt waren. Heiße Musik und kämpferische Reden von Gewerkschaftern aus verschiedenen Ländern stimmte sie auf das Motto der Veranstaltung ein. In zwei großen Demonstrationszügen ging es dann in den Tiergarten, wo am Großen Stern neben der „Siegessäule“ die Haupttribüne aufgebaut war. Die „Straße des 17. Juni“ war über 500 Meter weit gefüllt. Die Reden wurden in Wort und Bild auf mehrere Großleinwände übertragen.

Auch von der LINKEN im Salzlandkreis und aus ihrem Umfeld waren Teilnehmer in Berlin dabei. Etwa 15 Mitglieder und Sympathisanten aus Bernburg zum Beispiel nutzten die Busse, die der DGB für alle Interessenten kostenfrei bereitgestellt hatte. Direkt aus Bernburg fuhren zwei Busse mit etwa 60 Fahrgästen. Abfahrt war acht Uhr. Die Fahrt dauerte mit Pause etwa drei Stunden. Die LINKE-Mitglieder aus Bernburg scharten sich um eine Parteifahne, die am Infostand in Berlin ausgegeben wurde und die nun in den Besitz des Kreisverbandes übergegangen ist. Auch das herrliche Frühlingswetter trug zur guten Stimmung und zum Gelingen bei. Nachmittags um 16 Uhr ging es wieder zurück. Für alle war es ein unvergessliches Erlebnis.