Renten und Rentengerechtigkeit - Matthias W. Birkwald in Staßfurt
Renten und Rentengerechtigkeit - Matthias W. Birkwald zu Gast in Staßfurt
Der rentenpolitische Sprecher der LINKEN, Matthias W. Birkwald, hat die Pläne der Bundesregierung gegen Altersarmut im SWR-Tagesgespräch am 24.11.16 deutlich kritisiert. Denn das bislang von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles favorisierte Konzept einer Solidarrente helfe nach Auskunft der Bundesregierung zwar 66.000 Menschen, aber allein nach EU-Kriterien müssen 2,7 Millionen Menschen in Deutschland als arm bezeichnet werden.
Was bedeutet jedoch arm und speziell Altersarmut? Einstiegsfragen, welche Matthias W. Birkwald im Rahmen der gemeinsamen Veranstaltung der Kreistagsfraktion der LINKEN im Salzlandkreis und des LINKEN Kreisverbandes am 28. Oktober 2016 im Salzlandcenter Staßfurt umgehend beantwortete. So ist jemand arm, wenn das Einkommen, egal in welcher Form, unterhalb der statistisch ermittelten Armutsrisikogrenze liegt. LEBEN IN EUROPA (EU-SILC) hat diese Armutsrisikogrenze 2015 bei 1.033 EUR pro Monat punktiert. Dem gegenüber steht in Deutschland eine monatliche Grundsicherung für Menschen ab 65 Jahren mit 799 EUR (Juni 2016). Damit ist diese Personengruppe als arm zu bezeichnen. Von 2003 bis 2015 stieg die Betroffenenzahl von 257.700 auf 536.121 Menschen, die eine Grundsicherung in Deutschland benötigen. Hinzu kommen Schätzungen von 1,6 Millionen Menschen, die sich aus verschiedenen Gründen nicht trauen, Grundsicherung für sich zu beantragen. Matthias W. Birkwald geht aufgrund statistischer Auswertungen davon aus, dass 16,5 Prozent aller Menschen ab 65 Jahren unterhalb der Armutsrisikogrenze leben. Dies sind 2,7 Millionen Menschen, die weniger als 1.033 EUR pro Monat zur Verfügung haben. Dies allein ist schon erschreckend, aber der zunehmende Trend ist noch erschreckender.
Was ist nun zu tun? Das sinkende Rentenniveau und die kaum mögliche private Vorsorge in Zeiten von Niedrigzinsen und Niedriglöhnen, lassen so manch einen mutlos die Kopf senken. Ein Blick nach Österreich gibt Anreize wie es besser zu machen ist. Die österreichische Altersversorgung konzentriert sich nach wie vor weitgehend auf die umlagefinanzierte Gesetzliche Rentenversicherung (GRV). In die GRV zahlen nicht nur Arbeitnehmer*innen ein, sondern auch Selbstständige, Beamt*innen und Politiker*innen werden mit einbezogen. Ein Vorgehen, welches es auch in Deutschland umzusetzen gilt. Für alle Erwerbseinkommen müssen Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung (GRV) gezahlt werden, die Politikerin gleichberechtigt zur Drogeriefachverkäuferin, der Arzt gleichberechtigt zum Facharbeiter und Künstler. Zu einer langfristigen Sicherung der Renten ist das Rentenniveau wieder auf 53 Prozent zu erhöhen. Dazu müssen Beiträge zur Alterssicherung wieder paritätisch von Beschäftigten und Unternehmen finanziert werden. Die Rente ab 67 Jahren ist wieder abzuschaffen. Stattdessen: Nach 40 Beitragsjahren ab 60 Jahren muss man abschlagsfrei in Rente gehen können. Denn es ist unrealistisch anzunehmen, dass eine Lohnarbeit in Baugewerbe oder einer anderen körperlich anstrengenden Branche nach 40 Jahren keine Spuren hinterlässt. Die Menschen sollten nach getaner Arbeit ein Recht haben, in Rente gehen zu können, ohne sich Gedanken um Armut und sozialen Abstieg machen zu müssen. Dazu gehört auch, dass die Ostrenten an das Westniveau anzugleichen sind und die Nachteile bei der Rentenüberleitung Ost-West zu beseitigen sind. Im vorletzten Punkt machte sich Matthias W. Birkwald für den Solidarausgleich stark, d.h. die Zeiten niedriger Löhne, der Erwerbslosigkeit, der Kindererziehung (sogenannte ‚Mütterrente‘) und Pflege müssen deutlich besser abgesichert werden, damit sie nicht zu Armutsrenten führen. All diese Maßnahmen sind anzuwenden und letztendlich sollte niemand im Alter von weniger als 1.050 Euro netto leben müssen!
Alle Anwesenden bedankten sich herzlich bei Matthias W. Birkwald für diesen zweistündigen Vortrag mit anschließender Diskussion, der an keiner Stelle Langeweile aufkommen ließ.
Henriette Krebs